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Donnerstag, 2. Februar 2017

Do you believe in life after love? - Zur sechsten Staffel von Pretty Little Liars


Die sechste Staffel von Pretty Little Liars war bereits im Vorfeld mit Spannung erwartet worden, kündigten doch die Trailer und die Aussagen der Beteiligten von einem Zeitsprung , der die Liars auch innerdiegetisch wieder einigermaßen an das Alter ihrer Darstellerinnen anpassen sollte und ein munteres narratives Tohuwabohu versprach
(und, soviel sei an dieser Stelle schon verraten, dieses Versprechen auch hielt). Auch thematisch legen die beiden Staffelhälften unterschiedliche Schwerpunkte, wenngleich sie jedoch personell, visuell und auch lose motivisch verbunden bleiben.

Zunächst ist in Staffel 6.1 alles beim Alten: Medialität ist das große Thema der Serie. Die x-te Entlarvung von A findet durch einen Filmprojektor statt, ein letztes Kopfnicken in Richtung des über die gesamte Serie gepflegten Fetischs für das alte glamoröse Hollywood-Kino. A, diese geisterhafte Präsenz, die unsere Heldinnen nun schon seit so vielen Jahren heimsucht, wird durch den Blick in die Vergangenheit (scheinbar) offenbart – nur um die Bilderprojektion ein paar Folgen später wieder zur Seite zu schieben und als, nunja, eine Projektion zu entlarven. Photographien offenbaren häufig durch ihre Zeitgebundenheit Dinge, die dem vorbeidrifteten Echtzeitbetrachter verborgen bleiben, Aria entdeckt immer wieder A auf ihren Photos und sei es nur durch ihre Motivauswahl, die häufig angelehnt an vorherige Ereignisse und Bilder der Serie ist (besonders hervorzuheben ist hier die Wiederkehr des Puppenmotivs, welches besonders das Finale von Staffel 5 prägte). Die Perspektiven eröffnende Beschaffenheit wird im Übrigen in der zweiten Staffelhälfte in einem schönen Throwback zur "alten" PLL-Zeit noch einmal aufgegriffen, als Aria auf der Hochzeit ihrer Eltern für die Photos zuständig ist und eine an sie gerichtete Botschaft entdeckt. Das einzig "wahrhafte" Medium ist auch in Staffel 6 das Papier, immer wieder werden Wahrheiten durch Dokumente offenbart.

Die finale A-Entlarvung hatte sich lange angedeutet (Ceces mysteriöses Verschwinden und Wiederauftauchen schien immer verdächtig), in ihrer Ausführung jedoch ist sie ein außerordentlich interessanter und ambivalenter Schritt. Cece oder Charles stellt nicht nur den ersten wirklich gelungenen Bösewicht der Serie dar, sondern auch die erste transsexuelle Figur. Immerhin geht Pretty Little Liars erfreulich unkompliziert mit dieser Enthüllung um: Viel skandalöser als Transsexualität ist ein jahrelanger Plan zur schlussendlichen Eliminierung der Lügnerinnen schließlich allemal.

Wunderschön dann das Ende der ersten Staffelhälfte, bittersüß geradezu. Die Serie geizt häufig (man möchte fast sagen: dankenswerterweise, wenn man Wohlfühlexzesse wie das wieder aktuell populäre Gilmore Girls oder Modern Family betrachtet) mit den großen emotionalen Höhepunkten, doch am Ende der ersten Staffelhälfte, die auch das Ende der Kindheit der fünf Lügnerinnen markiert, bekommen zumindest vier von ihnen den Aufbruch in eine bessere Zukunft. (Wie alle Szenen dieser Art deutlich angelehnt an das grandiose Finale von Six Feet Under – Gestorben wird immer). Es ist Alison, mit deren vermeintlicher Ermordung die Serie ihren Anfang nahm, die am Ende zurückbleibt, die nicht fortkommt vom Ort ihres Trauma. Die Serie wie auch ihre Hauptfiguren brauchten diesen Aufbruch um wieder Luft zum Atmen zu finden. In einer letzten Gemeinheit wird Alison dieser Schritt verwehrt – sie bleibt aufgrund von (falsch verstandener) Solidarität mit ihren Peinigern.

Denk' ich an Rosewood in der Nacht – fünf Jahre später:

Fünf Jahre später haben die Dinge sich verändert: Das einstige Irrenhaus Radley ist nun ein Hotel für die Besserverdiener, Alison arbeitet als Lehrerin an der Highschool, auf der sie die schönsten Jahre ihres Lebens hätte verbringen sollen. Die anderen vier Lügnerinnen sind alle ihren Weg gegangen: Spencer ist zur Hillary-Clinton-Demokratin geworden, Hanna eine erfolgreiche Modedesignerin (respektive die Assistentin einer solchen), Aria arbeitet in einem Verlag als Lektorin und Emily hat Probleme den Tod ihres Vaters zu verarbeiten und hat Schwierigkeiten ihren Platz im Leben zu finden. Kräftig durcheinander gewirbelt wurden auch die Beziehungen der vier Mädchen. Caleb und Hanna sind nicht mehr zusammen, traurigerweise. In einer der schönsten Szenen der Serie bisher sitzen die beiden im Hinterhof eines Nachtclubs, die elektronische Musik und das flackernde Licht beschallten und beleuchten die Nacht nur schwach, doch ein Blick in Ashley Bensons Gesicht macht deutlich: Sie leben aneinander vorbei, sie können nicht, obwohl sie wollen. Die weiteren romantischen Verwicklungen der Mädchen erreichen leider auch in der sechsten Staffel nie die Tiefe und emotionale Verbundenheit wie die Paarung Hanna-Caleb (von den jugendlichen Fans der Serie ebenso naheliegend wie dämlich "Haleb" getauft). Spencer und Toby sind erwartbarerweise nicht mehr zusammen, auch die Involvierung Tobys mit Spencers Pendant im Senatswahlkampf ihrer Mutter, der Republikanertochter Yvonne, hilft da nicht wirklich, sorgt aber immerhin für eine geringe Präsenz seinerseits. Ernsthafte Beziehungen waren nie eine Stärke der Serie.

Ein interessanter Neuzugang in Staffel 6 ist die "A"-Kollaborateurin Sarah Harvey, die gemeinsam mit den Mädchen zu Beginn der Staffel aus dem flammenden Inferno gerettet wird. Sie wird erst zu einer Art Love Interest für Emily, nach dem großen Zeitsprung (der ihr auch eine bleibende Verstümmelung andichtet, von der in der ersten Hälfte noch keine Rede war – aber über erzählerische Unzuverlässigkeit bei Pretty Little Liars kann sich zu diesem Zeitpunkt kein Zuschauer mehr wundern) zur möglichen neuen (tödlichen) Bedrohung. Das Motiv der charakterlichen Spiegelung findet auch in Staffel 6 Einzug in die Serie, Mona ist das, was Spencer hätte sein könnte, wenn sie an einer Stelle eine andere Abzweigung gewählt hätte, die Paare Caleb/Hanna und Spencer/Toby ähneln sich auf vielerlei Weise. Sarah fungiert immer als eine Art Spiegel für Alison, eine Art "Was wäre wenn?"-Figur. Alison hätte verbittert enden können, aggressiv gegen ihre Umwelt, ein endgültiger Rückzug. Im Verlaufe der sechsten Staffel zeigt sich, dass Alison einen anderen Weg geht. Immer noch gibt sie sich die Schuld am Tod ihrer Mutter, ihrer Schwester und sogar an den vielen mehr oder weniger dramatischen Dingen, die ihren Freundinnen durch die verschiedenen A-Inkarnationen zugestoßen sind. Am Ende versinkt sie vollständig in ihrer (imaginierten) Schuld – "Sometimes I feel like I'm being punished for being alive" – Victimblaming bleibt eines der großen Themen der Show, immer wieder geraten die Liars unverschuldet ins Visier der Polizei, die den Mädchen nicht glauben kann oder will.

Doch bei allem berechtigten Lob hinterlässt der misslungene Endtwist, der wie ein verzweifelter Versuch wirkt, eine weitere Staffel der Serie zu rechtfertigen, einen faden Beigeschmack. In seinen besten Momenten hat Pretty Little Liars etwas von einem Jacques-Rivette-Film, eine allgegenwärtige Verschwörung, der sich nicht entkommen lässt, deren Ziele allerdings auch weitesgehend im Dunkeln bleiben. Staffel 6.1 brachte diese große Verschwörung zu einem folgerichtige Ende, der Epilog (und nicht anderes stellt Staffel 6.2 da) verhalf der Serie zu einem neuen Aufbruch, hin zu einer klassischeren, an Twin Peaks orientierten Mördergeschichte. Der Endtwist einer Erbschleichergeschichte rund um die Zwillingsschwester von Alison Mutter wirkt mehr wie eine Idee aus einer Daily Soap, die in einer Sitcom parodiert wird. Trotzdem gilt es natürlich, den Serienmachern Vertrauen entgegen zu bringen, gelang es ihnen in der Vergangenheit doch, jeden absurden Twist mit mehr oder minder befriedigenden Auswirkungen in den Hintergrund treten zu lassen, um den Stärken der Serien Freiraum zu geben.

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