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Montag, 12. Dezember 2016

Fragmente des Jahres 2016: Zu Werner Herzogs "Herz aus Glas"

Bei einigen Filmen scheint es dazu zu gehören, dass sich um die Produktion ihrer Filme stets geheimnisumwitterte Geschichten ranken. Sei es das Gerücht, dass die Darsteller in „Nymphomaniac“ von Lars von Trier echten Geschlechtsverkehr vor der Kamera haben mussten, oder der legendäre Dokumentarfilm „Heart of Darkness“ über die Dreharbeiten von „Apocalypse Now“. 

Die schönste Produktionsanekdote aber, die ich in diesem Jahr gelesen habe, kommt aus dem Jahr 1975. Als Werner Herzog seinen Film „Herz aus Glas“ drehte, sollen beinahe sämtliche Schauspieler unter Hypnose gestanden haben. Herzog soll dies genutzt haben, um „Menschen, wie man sie noch nie im Kino gesehen hat“ zu schaffen. Dies ist ihm sicherlich gelungen, er schuf einen Film, der sich vollkommen selbst entgrenzt. Die Darsteller sind langsam, der ganze Film ist eine einzige traumwandlerische Trance, kaum irgendetwas hängt zusammen, eine sinnliche Erzählweise gewinnt die Oberhand. Es gibt eine sehr berühmte Micky Maus-Geschichte, in welcher das „Schwarze Phantom" den vor dem Fernseher sitzenden Micky hypnotisiert. So wirken auch die ersten zehn Minuten von „Herz aus Glas“, man wird förmlich an das Bild herangezogen, man kann sich ihm kaum entziehen. Der Anfang und das Ende sind Filmpoesie, die selbige gar nicht sein möchte. Sie drehen den Begriff „bilderbuchhafte Landschaft“ um und erschaffen fast schon gemalte, düstere Wälder. Diese sehen zu keiner Zeit aus, wie die wirkliche Natur, sondern immer wie eine imaginierte Umwelt, die sich die Protagonisten, allen voran der Seher Halis, nur einbilden, die sich so erschaffen. Die Erzählung von Wahnsinnigen ist dann an manchen Stellen vielleicht nicht wahnsinnig genug. Herzog will am Ende wissen, ob die Welt, ob der Menschen einen Abgrund hat. Er kann das nicht beantworten, nähert sich dieser Frage jedoch aus vielen verschiedenen Richtungen. Gilles Deleuze schrieb in seinem berühmten Buch „Das Zeit-Bild- Kino 2“ folgendes: „Die Suche nach dem Herzen und dem alchimistischen Geheimnis, dem roten Kristall, ist untrennbar von der Suche nach den kosmischen Grenzen, der höchsten Anspannung des Geistes und dem tiefsten Grund der Wirklichkeit. Es ist allerdings notwendig, daß sich das Feuer des Kristalls auf die ganze Manufaktur ausbreitet, damit die Erde aufhört, eine abgeflachte und amorphe Umwelt zu sein, die vor dem Rande des Abgrunds innehält, und in sich unendliche kristalline Potentialitäten entdeckt(...).“ Das Haus brennt. Das Schrecken des 20. Jahrhunderts bewegt sich auf die Welt zu. Und so beginnt es.

Dieser Text wurde von Luca Schepers(@ArafatsSohn) verfasst.

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